Das Bonn-Berlin Duell
Berlin ist die Hauptstadt der Bundesrepublik und der Sitz der Regierung. Was heute selbstverständlich erscheint, war nach der Wiedervereinigung noch offen. Die Entscheidung darüber fiel vor genau 26 Jahren, am 20. Juni 1991, in einer langen und außergewöhnlich dramatischen Debatte im Bundestag, der damals noch im Bonner Wasserwerk tagte.
Im Einigungsvertrag war Berlin 1990 zwar nominell als Hauptstadt festgeschrieben, die Frage nach dem Sitz der Regierung und des Parlaments jedoch offen gelassen und auf später vertagt worden. Berlin oder doch weiterhin Bonn? Die kleine Stadt am Rhein hatte sich immerhin in vier Jahrzehnten demokratisch bewährt und genoss auch im Ausland großes Ansehen.
Der Wettstreit zwischen den Pro-Berlin- und Pro-Bonn-Fraktionen beginnt direkt nach der Wiedervereinigung. Von Oktober 1990 bis Juni 1991 kämpfen die Lobbyisten, spekulieren die Medien und diskutieren die Parteien. Es geht um viel, und der Riss geht mitten durch die politischen Lager. Am Anfang liegt Bonn in der Gunst der Politiker deutlich vorn. Am 20. Juni 1991 mündet dieser Prozess in eine über zwölf Stunden lange Debatte im Parlament.
Bis zu diesem Zeitpunkt ist völlig offen, wie das Ergebnis aussehen wird. Der Berliner Tagesspiegel hat für den nächsten Tag verschiedene Leitartikel parat: „Eine vergebene Chance“ würde die Überschrift heißen, wenn die Abgeordneten für Bonn entscheiden, „Eine Hauptstadt für alle Deutschen“ würde die Zeitung jubeln, wenn Berlin das Rennen macht.
104 Redner begeben sich im Laufe der Sitzung ans Pult, noch einmal ebenso viele verzichten darauf und geben ihre Reden schriftlich zu Protokoll. Es ist 21:47 Uhr, als Bundestagspräsidentin Rita Süssmuth das Mikrofon ergreift und die Entscheidung bekannt gibt: 320 Stimmen für Bonn, 338 für Berlin. Einige dramatische Reden haben den Umschwung gebracht. Damit ist der Antrag, der offiziell Vollendung der Einheit heißt, vom Deutschen Bundestag angenommen. Der Umzug nach Berlin kann beginnen.
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