Alltag im Löschzentrum von Facebook
„Wir kommen uns gut dabei vor, was wir machen. Wenn ich jemandem ersparen kann durch meine Arbeit, dass er das sehen muss, dann finde ich das sehr gut.“
Erstmals öffnet Facebook sein Berliner Löschzentrum für Journalisten – nach mehreren Medienberichten, in denen die Arbeitsbedingungen kritisiert wurden. Das Büro sieht aus wie viele andere auch. Doch brutale Bilder gehören für die Mitarbeiter hier zum Alltag. Die Arbeit in einem Facebook-Löschzentrum ist nichts für sensible Gemüter. „Ich weiß noch, das erste Enthauptungsvideo – da hab‘ ich dann ausgemacht, bin raus und hab erst mal ein wenig geheult“, erinnert sich eine Mitarbeiterin. Das sei dann aber auch ihr einziger emotionaler Ausbruch gewesen – weil man beim ersten Mal unvorbereitet dafür sei. „Jetzt hat man sich so daran gewöhnt, es ist nicht mehr so schlimm“, sagt die 28-Jährige.
Es ist das erste Mal, dass Journalisten mit drei Mitarbeitern des Löschzentrums sprechen können. Namen dürfen nicht genannt werden, um sie zu schützen. Insgesamt arbeiten hier 650 Menschen im Mehrschicht-Betrieb. Zu ihren Aufgaben gehört es, Einträge zu sichten und zu löschen, die strafbar sind oder gegen Facebook-Regeln verstoßen.
Sie alarmieren Facebook, wenn aus einem Beitrag hervorgeht, dass jemand sich selbst oder anderen Schaden zufügen will. So seien durch anschließendes Eingreifen der Polizei schon Suizide verhindert worden, heißt es. Zu den weniger belastenden Aufträgen gehört die Überprüfung der Echtheit von Facebook-Profilen.
In den vergangenen Monaten hatte es kritische Medienberichte über das von der Bertelsmann-Dienstleistungstochter Arvato betriebene Zentrum gegeben. Darin beklagten sich namentlich nicht genannte frühere Mitarbeiter unter anderem darüber, dass sie mit den seelischen Strapazen des Jobs vom Arbeitgeber alleingelassen würden. „Ich als Teamleiter weiß ja nicht, ob jemand Betreuung braucht oder nicht“, sagt jetzt einer der Mitarbeiter. Man sei angewiesen darauf, dass die Leute sich selbst melden. „Gedanken lesen kann ja keiner“, stimmt ihm eine Kollegin zu. „Und die Betreuung stand ja schon damals zur Verfügung.“
An jedem Arbeitsplatz in dem Gebäude sind jetzt Aufkleber mit Kontaktdaten von Experten für psychologische Betreuung angebracht. Das sei nicht immer so gewesen, sagt Arvato-Manager Karsten König. Vielleicht hätte man von Anfang an die Angebote stärker in den Vordergrund rücken müssen, sagt er.
Die Mitarbeiter, die jetzt mit Journalisten sprechen, zeigen sich verletzt von den Berichten. „Ich war richtig sauer“, sagt eine von ihnen. Weil damit ein Schatten auf die Arbeit der Teams geworfen werde. «Wir retten Leben, wir versuchen, Leuten zu helfen.“ Eine andere pflichtet ihr bei: „Wir kommen uns gut dabei vor, was wir machen. Wenn ich jemandem ersparen kann durch meine Arbeit, dass er das sehen muss, dann finde ich das sehr gut.“
Foto: dpa / Soeben Stache
Löschzentrum von Facebook in einem Service-Center des Dienstleisters Arvato in Berlin.